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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 18.1897

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Ilg, Albert: Mathias Steinle
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Kenner, Friedrich: Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5779#0211
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Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol.

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Die Uebereinstimmung mit den Veränderungen des Costümes einerseits, die Variationen inner-
halb der Normen andererseits können nur aus der Benützung alter Vorlagen erklärt werden. Bezeich-
nend sind in dieser Hinsicht die Bildnisse der beiden De Castro, die beide auf demselben in Bronze
ausgeführten, also farblosen Grabdenkmale beruhen. Der Vater Paolo (Nr. 69), spätestens geb. i36o,
gest. 1437, erscheint noch im rothen Doctorkleide, der Sohn Angelo (Nr. 70), gest. 1492, schon im
schwarzen Kleide mit violettem Doctorhute; Ersterer ist nach einem älteren Gemälde modellirt; nach
der Büste ist unser Bild gemalt, die Farbengebung aber wieder dem älteren Gemälde entnommen,
während für die Büste des Letzteren ein gleichzeitiges Gemälde benützt wurde, nach welchem auch
die Färbung erfolgte. Zwei andere sehr berühmte Juristen, Barbazzo (gest. 1479, Nr. 50) und Jason
Mainus (gest. 1519, Nr. 99), sind nicht als Doctores sondern als Ritter und Pfalzgrafen in Kleidern aus
Goldstoff gemalt; es unterliegt keinem Zweifel, dass wenigstens das Bildniss des Ersteren nach einer
Medaille gearbeitet ist, zur Farbengebung des Costümes also ein Gemälde benützt worden sein muss.
Lehrreich sind endlich unsere beiden ältesten Juristenbildnisse, jene des Accursius (1182—1260, Nr. 40)
und Dinus (1248—1298, Nr. 85), die noch dem XIII. Jahrhunderte angehören, für die es also gleich-
zeitige gemalte Vorlagen nicht gegeben haben kann. Sie fallen nach ihrem Typus ganz aus der Reihe
der älteren Juristenbilder heraus, erscheinen im Dreiviertelprofil, Accursius unbärtig, Dinus voll bärtig,
jener in violettem, dieser in schwarzem Talare, beide mit Pelzkragen, also in der jüngeren Tracht aus
dem Ende des XV. und dem Beginne des XVI. Jahrhunderts. Sie sind daher als Restitutionen dieser
späteren Zeit, die nach alten Nachrichten und Ueberlieferungen componirt wurden, zu betrachten. Von
diesen beiden Ausnahmen abgesehen, machen die Juristenbildnisse des Benavidius einen sehr guten
Eindruck und bezeugen, dass er in der That bemüht war, sich auf authentische Bildnisse zu be-
schränken.

Die Aufschriften zeigen alle Goldbuchstaben und sind in lateinischer Sprache abgefasst, wobei
der Schriftmaler allerdings häufig in das Italienische geräth. So heisst es z. B. auf Nr. 3g (Accoltus):
Franciscus ■ Aretinus • il • interpres ■ acutissimus, auf Nr. 53: Benedict(us) • de • Piombino, während er
gewöhnlich mit a Plumbino bezeichnet wird; Nr. 69 wird Paulus • de • Castro, Nr. 70 richtiger Ang(elus)
Cast(rensis) geschrieben. Joannes Antonius Rubeus aus Alessandria ist im Kupferstiche bei Lafrere
mit Recht als Alexandrinus, in unserem Bilde (Nr. 124) fehlerhaft als Rubeus Alexander bezeichnet;
ebenso wird Carl(o) Ruinus statt Carolus R. geschrieben (Nr. 125). Nur einmal, bei Tartagnus (Nr. 135),
erscheint die Berufsart mit I • C (Jureconsultus) angegeben, was natürlich in keinem der Bildnisse der
Sammlung Mantua der Fall ist; denn diese Angabe war in ihr, die nur Juristen enthielt, nicht nöthig.
Eben dieses Bild ist auch nicht der Sammlung in Padua entnommen sondern augenscheinlich nach
dem Originale einer Sammlung von Celebritäten verschiedener Berufsarten copirt, auf welchem Letz-
tere zur Orientirung des Beschauers hervorgehoben waren.

Ganz ähnlich wie die Juristenbildnisse verhalten sich jene der übrigen italienischen Celebritäten.
Ihre wichtigste Abtheilung bilden die Heerführer und Staatsmänner. Schon der innere Zusammen-
hang zwischen dem Entstehen der Sammlung von Waffen und Rüstungen und dem Entstehen der
Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand bestimmte die Tendenz, welche bei der Auswahl der Bild-
nisse befolgt wurde.

Wie in der Abtheilung der deutschen Bildnisse, so stehen die Vertreter der eben genannten Be-
rufsarten auch unter den berühmten Männern Italiens an Zahl voran (3g Bildnisse von 35 Namen).
Unter den älteren Capitani finden sich aus dem XIII. Jahrhunderte bezeichnender Weise nur die
drei berühmtesten Ghibellinen Farinata (Nr. 87), Faggiolanus (Nr. 86) und Castruccio Castracani
(Nr. 71). Aus der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts treffen wir den Begründer der italienischen
Feldherrnschule Braccio (Nr. 62) und seinen Gegner Attendolo Sforza (Nr. i3o) nebst dem Engländer
Hawkwood (Nr. 45) als die populärsten Typen der alten Condottieri, deren Schüler die Kriegskunst
in der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts weiter entwickelten. Von letzteren sind aus naheliegenden
Gründen die Heerführer der Nachbarstaaten von Tirol, die mailändischen und venezianischen Capitani
Carmagnola (Nr. 68), Piccinino (Nr. 118), Gattamelata (Nr. 90) und Coleone (Nr. 74, 75) vorgezogen,
 
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